Nachdem ich heute Früh mein WordPress auf den neusten Stand gebracht und gefrühstückt hatte, radelte ich wie gehabt zur Arbeit. Diesmal wieder auf meinem gewohnten Haken über den Stemmersberg und dadurch auch wieder ohne die nervigen Ampeln.
Die heutige WAZ hatte ich mir zwar eingesteckt, kam dann aber erst nach dem Mittag wieder dazu, den Artikel fertig zu lesen, den ich beim Frühstück kurz überflogen hatte.
Es ging wieder mal um die Helmpflicht. Aber nicht etwa bei der Gruppe von Verkehrsteilnehmern, die die meisten Kopfverletzungen im Straßenverkehr erleiden. Nein, es ging um eine Minderheit: die Fahrradfahrer. Besonders dusselig fand ich den Kommentar „Helmpflicht Her damit!“ von Frank Preuß. Er leitet sein Plädoyer von Statistiken über Kopfverletzungen ab. Sicher gibt es Statistiken darüber, wie viele Kopfverletzungen unterschiedlicher Schwere es bei Fahrradfahrern gibt und wie viel vermeidbar wären. Außerdem sei noch kurz erwähnt, dass auch ich es gut fände, wenn mehr Radler mit Helm fahren würden. Und auch mich nerven die Pedelec-Fahrer, die ihr Gefährt nicht im Griff haben, aber das ist nicht die Masse. Ich selbst fahre fast alle Strecken mit Helm. Aber den Helm nun gleich zur Pflicht zu machen, empfinde ich als übertrieben.
Zum einen, weil es eben in PKWs viel mehr Kopfverletzungen gibt, die Herr Preuß in seiner Statistik-Betrachtung beflissentlich ignoriert, man sollte also erst mal dort beginnen, wo es am meisten bringt. Welches Gegenargument ich aber noch viel entscheidender finde, ist die Problematik der kurzen Strecken. Viele Mitbürger nutzen, wie auch ich, das Fahrrad auch für kurze Wege, zum Beispiel um mal schnell zur Apotheke, zum Bäcker oder zur Kirche zu radeln. Für die 500 Meter setze ich mir natürlich nur selten den Helm auf. Klar kann auch dabei „etwas passieren“, aber wir reden von maximal zwei solchen Fahrten in der Woche, das macht also im Jahr unter 50 Kilometer. Von dreitausend Kilometern, die ich in schlechten Jahren insgesamt fahre, wären das also circa ein Prozent und genauso so hoch ist auch die Wahrscheinlichkeit, mit dem „etwas passieren“. Aufwand und Nutzen liegen bei diesem einen Prozent der Strecke doch zu weit auseinander. –
Und wenn jetzt der gemeine Stammtischphrasen-Autofahrer vorschnell zu klugscheißen anfängt, dass mir das meine Sicherheit ja wert sein sollte, frage ich zurück, wie oft er im Auto einen Helm trägt?! – „Das sollte IHM seine Sicherheit doch wert sein!“
Was würde man also mit einer Helmpflicht erreichen? Die oben genannten kurzen Strecken würden dann deutlich seltener mit dem Fahrrad erledigt werden und bei 500 Metern werden auch die wenigsten zu Fuß laufen. Also werden dann wohl vor den Apotheken, Bäckern und Kirchen die Parkplätze voller werden. – Wenn man das erreichen will…
Oder Fahrradfahrer ignorieren die Helmpflicht auf dem kurzen Stück und werden dann durch diese Vorschrift kriminalisiert und verlieren seinen eventuellen Versicherungsschutz.
Übrigens ist in der Statistik (in der ohnehin schon die Autofahrer fehlen) auch nicht zu erkennen, wie oft bauliche Schikanen an den Unfällen schuld sind. Im täglichen Stadtverkehr wird man ja leider täglich mit vielen nicht zu Ende gedachten Konstrukten konfrontiert, die die Sicherheit eher verschlimm-bessern. Unter anderem ein Radweg, der vor einer Hauswand endet oder Ampeln, deren Anforderungsschaltung Radfahrer generell erst in der übernächsten Ablauf-Runde bedenken…
Schlussendlich finde ich, dass ohnehin schon genug getan wird, um den Fahrrad-Verkehr ausreichend unattraktiv zu machen, da ist die diskutierte Helmpflicht nur ein weiterer Nadelstich auf dem Weg zur (durch die Frontscheibe geplanten) Fahrrad-freien Stadt.
Nachtrag 2023: Das „Schwein Helmpflicht“ lässt sich immer wieder gut durchs Dorf treiben, in diesem Fall also mal das Land Brandenburg. Ich hätte aktuell eher auf Berlin getippt.
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